Sind die denn alle wahnsinnig geworden?
Wer in letzter Zeit mit wachen Augen Nachrichten liest, muss denken er
sei übergeschnappt. Politiker von Rot und Schwarz sind sich
anscheinend einig geworden einen Orwellschen Überwachungsstaat ins
Leben zu rufen. Verfassung? Menschenrechte? brauchen wir alles nicht,
wir sind die Guten, vor uns braucht man sich nicht zu schützen.
Die Medien sind anscheinend auch nicht interessiert, anscheinend ist
das Thema nicht wichtig genug. Das stimmt aber nicht.
Es gibt nichts wichtigeres als die Freiheit!
Eine der wenigen Medien die sich damit ausführlich
beschäftigen ist www.heise.de.
In Anbetracht der Tatsache dass mit der EU-Richtlinie zur
Vorratsdatenspeicherung praktisch das
Fernmelde-geheimnis, das Post-geheimnis und das Recht auf ungehinderten
Zugang zu Informationen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt
werden, ist die mangelnde Resonanz sehr traurig.
Neue Bundestagspetitionen:
[Juni 2006]
Es sind einige neue Petitionen im Bundestag anhängig,
ein paar
davon will ich kurz vorstellen:
Diese Petition verlangt ein Verbot
von Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten. Ein solches Verbot
wäre gerechtfertigt, schließlich werden Bundestagabgeordnete
so gut bezahlt, dass dem Arbeitgeber (sprich: dem deutschen Volk) deren
Zeit komplett und ungeteilt zusteht. Das ist auch in der aktuellen
Rechtsprechung für normale Arbeitnehmer so geregelt. Wer
Repräsentationsaufgaben übernimmt, muss alle
Nebentätigkeiten mit seinem Arbeitgeber absprechen (Beispiele
wären Filialleiter von Banken, Geschäftsführer von
mittleren und großen Firmen). Deshalb JA zum Verbot.
Die nächste Petition verlangt die Einführung
von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf Bundesebene.
Das kann ich nur voll und ganz unterstützen. Ich gehe noch weiter:
Bisher wird nur das Parlament direkt gewählt, man müsste es
auch darauf ausdehnen, Staatsanwälte (=Exekutive) und
Richter (=Judikative) zu wählen und regelmäßig neu zur
Wahl zu stellen. Vorerst aber nur: JA zu Volksentscheiden auf
Bundesebene.
[Juni 2006]
Die Welt zu Gast... im Hochsicherheitstrakt?
Die Weltmeisterschaft steht an, und mit ihr die
größte Überwachungsmaschinerie die man sich vorstellen
kann. Unglaublich was alles gemacht wurde.
- Verfassungschutzanfrage für 250.000 Mitarbeiter. Wer
FIFA-Würstchen(tm) verkaufen wollte durfte sich von der Wiege bis
heute nichts zuschulden lassen kommen. Keine Prügelei, auf
Demonstrationen immer brav bleiben, sprich ein Unschuldslamm ohne
Laster sein. Unglaublich, dass sie so viele Leute zusammengebracht
haben. Ich hoffe das wird beibehalten. Wird Zeit dass die
Putzfrau der Polizeitoilette durchleuchtet wird. Am Ende war sie in
Wackersdorf dabei und ist an sich radikal veranlagt.
- Überwachungskameras en masse. Die meisten werden von privaten
Firmen betrieben, was die Auswertung vereinfacht. Polizisten
dürften nur Verbrechen aufzeichnen, private Firmen können
speichern was und wie lange sie wollen. Also keine Ferkeleien vor den
Kameras, bitte. Naja, bei der Masse an Kameras sind sie eigentlich
immer irgendwo im Bild, also komplett brav bleiben, gell?
- Bundeswehr vor den Stadien. Na gut, das wurde noch verhindert. Und
ich will auch hoffen dass die Bundeswehr noch lange nur im
Katastrophenfall im Inland eingesetzt werden darf. Die Kernkompetenz
einer jeden Armee ist es nämlich, Menschen zu töten, das
wollen wir doch nicht oder?
- Eintrittskarten mit RFID-Chips und Personalausweisnummer. Es wird
vermutlich nicht gemacht, aber man könnte damit feststellen
wo sie im Stadion sind und wer neben ihnen sitzt. Wann sie aufs Klo
gehen. Welche Schüssel sie benutzen. Ob sie hinterher die
Spülung betätigen. Wieviel Blatt Klopapier sie verbrauchen.
Alles nur eine Frage gut plazierter RFID-Leser.
[Erläuterung: RFID-chips sind kleine Funkgeräte die quasi
aufleuchten wenn sie an einem Lesegerät vorbeigehen. Dabei
versenden sie eine Seriennummer (oder ähnliches) die vom Leser
aufgefangen wird. Der Abstabnd zum Lesegerät kann dabei mehrere
Meter betragen.]
xx.05.2006: Irland klagt gegen die Richtlinie zur VDS.
Allerdings nicht aus schlechtem Gewissen oder aus
Datenschutzgründen (Irland will die Daten 3 JAHRE speichern).
Nein, denen war nur der Weg verkehrt, sie sagen daß EU-Parlament
hätte nicht gefragt werden müssen. Bürgerrechte?
Demokratie? Anscheinend Fehlanzeige.
xx.05.2006: Das
Bundesverfassungsgericht schränkt die Rasterfahnung ein.
Hintergrund: Nach dem 11. September wurde in Deutschland eine solche
Fahndung durchgeführt. Ergebnisse: aus den 8 Millionen
Erstdatensätzen wurden 1500 Personen extrahiert, deren genauere
Überprüfung ergab 2 Fälle mit terroristischem
Hintergrund. Diese Sache hat viele Beamte erfordert, genauer: deren
Arbeitszeit verschwendet. Das BVG hat die Rasterfahndung nicht komplett
verboten, die Anwendung bedarf aber höherer Hürden,
nämlich einer einigermaßen _konkreten_ Gefahr. Einfach zu
sagen, demnächst _könnte_ was passieren, reicht nicht. Fast
alle Bundesländer müssen jetzt ihre Polizeigesetze
ändern. Mal sehen wie lange sie dazu brauchen, nachdem Gesetzesverschärfungen immer recht
schnell gehen.
19.02.2006: Die
Bundestagspetition kommt in die Gänge. Im letzten November wurde
eine Petition an den Bundestag in Gang gesetzt. Sie verlangt die VDS
nicht einzuführen. Nach dem Beschluss vom Vortag ist vielen klar
geworden, was droht und die Mit-Unterzeichnungen häufen sich,
durchschnittlich 1000 neue Unterschriften kommen pro Tag dazu. Helfen
Sie auch mit und unterzeichnen Sie.
http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=60
Alternativ: www.bundestag.de,
Petitionen suchen, Stichwort Strafprozessordnung, Initiator Björn
Fay
18.02.2006: Der Bundestag
beschliesst mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD die
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen. Vergessen der
Beschluss vom letzten Jahr, die VDS nicht einführen zu lassen. Gab
es Einwände? Ja, ein CDU-Abgeordneter meinte das wäre von der
EU beschlossen, es dürfe nicht sein dass der Bundestag die
Richtlinie nur durchwinke. Bürgerrechte sind anscheinend kein
Thema für den Herrn. Ein Abgeordneter der SPD schoss den
Vogel ab, er meinte das die Bürgerrechte schaden nehmen, stimmte
dann aber trotzdem dafür.
Hallo!!! Bedenken und trotzdem Ja sagen? Was sagt ihr Gewissen dazu?
Bei verfassungswidrigen Gesetzen zählt kein Koalitionszwang, und
EU-Richtlinien sind dann auch hinfällig. Aaaargh.
17.02.2006: Das
Bundesverfassungsgericht kassiert das Luftsicherheitsgesetz. Dieses
Gesetz sollte der Regierung erlauben, ein von Terroristen
entführtes Flugzeug abschiessen zu lassen, falls dadurch
größerer Schaden vermieden werden kann. Das Urteil war
insofern vernichtend, als es sich auf den höchsten Grundsatz des
Grundgesetzes bezog: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie
zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher
Gewalt." (Art 1 GG). Das gelte auch im Angesicht des
sicheren Todes, ein Aufrechnen gegenüber eines grösseren
Schadens ist nicht zulässig, meint Karlsruhe.
Die Reaktionen sind vielsagend: "Wir müssen das Grundgesetz
ändern" (Schäuble, CDU), "Wir könnten im Fall einer
Entführung den Verteidigungsfall erklären, dann wäre der
Abschuss möglich" (Wiefelspütz, SPD).
Meine Meinung? Wer solche Politiker hat, braucht keine Feinde.
01.02.2006: Schmutzige Bomben?
Eher schmutzige
Gedanken...
28.01.2005: Müntefering
sieht Vorratsdatenspeicherung im Einklang
mit der Verfassung. Möchte wissen, wie er zu der Überzeugung
gelangt. Es gibt nur ganz selten Gesetzesvorlagen die so eindeutig
gegen das Grundgesetz verstossen wie diese Richtlinie.
16.12.2005: Bayerischer Landtag
beschliesst Gesetz zur vorbeugenden
Telefonüberwachung. Ein ähnliches Gesetz ist in Niedersachsen
als verfassungswidrig erklärt worden.
16.12.2005: Verlängerung
der Abhörbefugnisse des Zolls trotz
massiver Kritik des Bundesverfassungsgerichts
15.12.2005: Aktuelle Stunde im
Bundestag: Müntefering
verteidigt Überwachungsrichtlinie
14.12.2005: EU-Parlament
beschliesst Telefon-
und Internetüberwachung aller EU-Bürger
'Mögest du in interessanten Zeiten
leben' (chinesischer Fluch)
Das tue ich, leider :-(
werner.schmidt@wummer.net